Vorbildliche Schulreform in Neuseeland

Das Schulsystem in Neuseeland wurde Anfang der 90er-Jahre entscheidend umgebaut. Vom Chef einer Supermarktkette beraten, beschloss der damalige Premierminister, dass Schulen sich in Zukunft selbst verwalten sollen. Seitdem befindet ein Gremium, das aus Eltern und Lehrkräften besteht, über alle Belange einer Schule selbst. Dementsprechend schnell ist auch Unterstützung da, egal ob es um schwierige Schüler oder renovierungsbedürftige Räume geht. Heute zählt das Schulsystem in Neuseeland nach internationalen Standards zu den besten der Welt. Wie wurde das geschafft? In Neuseeland vergingen vom Vorhaben bis zur Umsetzung der großen Schulreform lediglich 14 Monate. In dieser Zeit wurde die Abteilung für Bildung durch ein viel kleineres Ministerium ersetzt, man schaltete landesweit Anzeigen, die Mütter und Väter dazu aufriefen, sich für die Mitbestimmungsgremien zur Wahl zu stellen. Schulleitungen und Eltern besuchten Trainings, um zu lernen, wie das eigentlich geht: Gemeinsam eine Schule zu verwalten.
Wenn alle an einem Strang ziehen
In Neuseeland wird sichtbar, welche Kraft sich entfaltet, wenn das Bildungssystem von einer Vision getragen wird, hinter der Politiker:innen, Wissenschaftler:inner, Lehrer:innen und Eltern gemeinsam stehen. Dazu trägt die neuseeländische Mentalität bei: Alles zu mögen, was nach Aufbruch und Pioniergeist klingt. „Das wir uns ständig verbessern wollen, liegt in der DNA unserer Gesellschaft.“ sagt Derek Wenmooth, einer der führenden Bildungsforscher Neuseelands. In Deutschland wird an einzelnen Symptomen herumgeschraubt. Ein Land, in dem Bildung nicht Chefsache ist? Wie kann das gehen? Noch fehlt die gemeinsame Vision und der Masterplan, aber das können wir ändern!
Haltungsänderung
Die Entscheidung dem neuseeländischen Ministerium Verantwortung abzunehmen und sie den Schulen und Eltern zukommen zu lassen, war der Erkenntnis geschuldet, dass Standardlösungen in der Bildung nicht funktionieren. Bildungsqualität entsteht vor Ort zwischen den direkt Beteiligten. Entscheider:innen dürfen nie zu weit von den Folgen ihrer Entscheidungen entfernt sein. Ein Hilferuf gegenüber Menschen, die man jeden Tag sieht, verhallt eben nicht so leicht ungehört. E-Mails an Sachbearbeiter:innen im Schulamt leider schon.
Zeigt Whanaungatanga
Bei den Maori, den Ureinwohnern Neuseelands, ist Whanaungatanga ein zentraler Begriff und hat keine deutsche Entsprechung. Er bezeichnet das Gefühl von tiefer Verbundenheit und Beziehung. Konkret bedeutet Whanaungatanga, für die anderen zu sorgen, weil ihr Geschick untrennbar mit dem eigenen verbunden ist.
Starke Persönlichkeit im Mittelpunkt
In Neuseeland sieht man die Lehrperson als absolut zentral für erfolgreiches Lernen an. Sie ist kein Moderator oder Vermittler, sondern ganz im Gegenteil eine starke Figur, die das Lernen klar strukturiert und steuert. Entsprechend ernst nimmt man auch die Frage, wie sie sich stetig verbessern kann. In Deutschland wird kaum überprüft, ob eine Lehrkraft ihrer Fortbildungspflicht nachkommt. Neuseeländische Lehrkräfte müssen ihre Lehrerlaubnis dagegen alle drei Jahre erneuern – und das dürfen sie nur, wenn sie an Fortbildungen teilgenommen haben. Dafür sind diese aber auch extrem wirkungsvoll. Während Fortbildungen in Deutschland meist externe Vorträge sind, die die Lehrkraft nach Unterrichtsschluss besucht, obwohl so etwas nachgewiesenermaßen wenig bringt. Die Fortbildner:innen in Neuseeland dagegen kommen direkt an die einzelne Schule, geben Modellstunden und gehen auf die individuellen Probleme und Fragen der Lehrkraft ein.
Offenheit für Zusammenarbeit
Hier bemüht man sich auf nationaler Ebene, die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften zu fördern. Dass eine Lehrkraft an einer Schule etwas Tolles tut und andere es nicht bemerken, ist in Neuseeland praktisch unmöglich. Schon vor mehreren Jahrzehnten reisten so genannte Inspektor:innen von Schule zu Schule und organisierten Unterrichtsbesuche, wenn sie fanden, dass zwei Lehrer:innen etwas voneinander lernen könnten.
Vertrauensvolle Beteiligung
Den ersten Entwurf des aktuellen neuseeländischen Bildungsplanes verfassten im Jahr 2004 mehr als 15 000 Schüler:innen, Lehrer:innen, Schulleitungen, Eltern, Wissenschaftler:innen und Maori-Vertreter:innen zusammen. Anschließend wurden alle Neuseeländer:innen eingeladen, Anmerkungen zu machen. Dass eine solche Einbindung der gesamten Bevölkerung Zeit und Mühe kostet, nahm man gern in Kauf. Man wusste, dass ein breiter Konsens auf lange Sicht Probleme erspart. Im Unterricht sind Eltern stets willkommen - sofern sie bereit sind, die Lehrkräfte zu unterstützen. Die Eltern sind glücklich, wenn die Schule keine Blackbox ist, die ihre Kinder einfach verschluckt, und die Pädagog:innen freuen sich über helfende Hände. Selbst bei der Einstellung von Personal ist ein Elternvertreter:innen dabei. In Neuseeland können Eltern wichtige Anliegen auf die Agenda setzen, anstatt sich vor dem Schultor in Rage zu reden.
Bildungsqualität in kontrollierter Freiheit
Heute eint der Bildungsplan die Schulen Neuseelands und setzt dabei auf Sinnhaftigkeit (Kohärenz) statt Gleichmacherei. Statt umfassender Kontrolle schaltet sich der neuseeländische Staat nur am Anfang und Ende ein, den Weg dazwischen macht er frei. Der Bildungsplan definiert die Lernziele, die für alle Schulen im Land bindend sind, und die Hauptaufgabe der Inspektor:innen besteht darin, sicher zu stellen, dass eine Schule diese erreicht. Wie sie das tut, ist zweitrangig. Mikromanagement (übertriebene Detailsteuerung, die Mitarbeitende in ihrer Autonomie einschränkt) gibt es nicht, und damit hat das Land Erfolg.
Neuseeländisches Curriculum (Bildungsplan)
Es legt fünf Schlüsselkompetenzen fest, die die Kinder im Laufe ihrer Schulzeit entwickeln sollen: zu anderen in Beziehung treten, selbständiges Denken, Sprache/ Symbole/ Texte benutzen, sich selbst managen und Beiträge leisten. Ebenso wichtig wie das akademische Lernen ist der Erwerb von Kompetenzen, wobei eigenverantwortliches Handeln gezielt gefördert wird. „Learning by Doing“ in Form von projekt- und gruppenbezogenem Lernen ist ein wichtiges Grundprinzip der Pädagogik. Die Schüler:innen arbeiten weitgehend selbstständig. Das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Schüler:innen und Lehrkräften ist ein wichtiger Bestandteil der neuseeländischen Schulphilosophie.
Neuseeländisches Curriculum (Bildungsplan)Fortbildung mit Blick über den Gartenzaun
Neuseeländische Wissenschaftler:innen durchforsten stetig die internationale Forschungslandschaft zu allen wichtigen pädagogischen Themen und stellen u.a. solche Fragen:
- Wie unterrichtet man am besten Mathematik?
- Wie lernen Kinder aus bildungsfernen Schichten am besten?
- Wie gestaltet man Gruppenarbeit sinnvoll?
Fremde Studien werden von ihnen geprüft und eigene durchgeführt. Auf Grundlage dieser umfangreichen Daten aus der ganzen Welt geben sie am Ende Empfehlungen (BES Ergebnisse = Interaktive Best Evidence Synthesis), eine Art Meta-Superstudien für den Unterricht heraus. In ihrem Umfang, ihrem Detailreichtum sind die BES, die in jeder Schule Neuseelands ausliegen, einzigartig und stellen für Lehrkräfte die sinnvollste Arbeitsgrundlage dar, die es geben kann.
Expertenwissen wird in die Schulpraxis gebracht
Die Neuseeländer:innen wollen es den Lehrkräften, über die BES hinaus, noch einfacher machen, gute Lehrer:innen zu sein. Deshalb beschäftigt das Bildungsministerium Hunderte von Vermittler:innen, die regelmäßig in alle Schulen des Landes ausschwärmen, um den Lehrpersonen die BES-Ergebnisse nahezubringen. Diese Vermittler:innen sind keine Feuerwehr, die erst gerufen wird, wenn es ernst wird. Sie gehen zu allen Lehrkräften, auch zu denen, bei denen es gut läuft. Die Schulen können ihre Vermittler:innen selbst aussuchen, nur wenn sie für deren Dienste finanzielle Unterstützung vom Staat wollen, müssen sie eine Person nehmen, die vom Ministerium geprüft wurde. Trotz der Freiräume, die jede einzelne Schule genießt, wird damit Einheitlichkeit über alle Schulen hinweg erzeugt, und selbst die Lehrkräfte einer völlig entlegenen Schule erfahren, dass es hilft, sich 8 Sekunden lang leicht aufs Knie zu tippen, wenn man Kindern genug Zeit geben will, selbst zu denken.
Die Schulwerte sind nicht verhandelbar
„Wir verbringen Monate damit, den Kindern beizubringen, wie sie sich selbst in den Griff kriegen. Bis sie das können, stellen wir alles andere zurück“, berichtet eine neuseeländische Schuldirektorin. Auch an ihrer Schule herrscht die neuseeländische Mischung aus Strenge und Freiheit. Einerseits gelten klare Regeln. Überall machen Piktogramme den Kindern vor, wie sie sich zu verhalten haben. Auf der anderen Seite bringt die Direktorin den Respekt, den sie selbst einfordert, auch den Menschen, mit denen sie es zu tun hat, entgegen. Die Lehrkräfte vermitteln den Kindern täglich eine Selbstwirksamkeitserwartung. Das Kind, das die proud cloud, eine kleine weiße Pappwolke, in der Hand hält, berichtet, was es am Tag zuvor stolz gemacht hat. Diese Pappwolken werden im Klassenzimmer aufgehängt. Auf die eine Seite schreibt jedes Kind, was es schon Tolles gelernt hat und auf die andere Seite, was ihm noch Schwierigkeiten bereitet. Dabei lernen sie, dass kein Mensch entweder nur ein Versager oder nur ein Alleskönner ist.
Aufbauen, statt beschämen
„Zeig mir, wie Du warten kannst!“ - statt: „Hör auf zu drängeln!“
„In sieben Minuten komme ich wieder, was möchtest Du bis dort geschafft haben?“ - statt: „Du hast nichts geschafft, mach mal vorwärts!“
Selbsterkenntnis fördern
In die Magische Truhe, legt jedes Kind alles hinein, was für ihn:sie bedeutungsvoll ist. Aufbewahrungsort für Materielles und Immaterielles, Gegenstände, Empfindungen, Erinnerungen. Die Kinder sollen wissen, was sie ausmacht und wie sie sich treu bleiben. Dafür braucht es Selbsterkenntnis und emotionale Intelligenz. Die Magische Truhe dient der Ausbildung dieser Fähigkeiten.
KI und geistige Beweglichkeit
Seitdem das Internet Menschen miteinander verbindet, treten unterschiedliche Sichtweisen und Interessen besonders deutlich zutage. Wir leben heute im Zeitalter der „wicked problems“: Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass viele Personen betroffen sind und es scheinbar unvereinbare Bedürfnisse und Wechselwirkungen gibt. Deswegen ist es wichtig, in Schulen das ursprünglich Menschliche zu fördern: Respekt, Empathie und Selbstbewusstsein. Ein reifes Urteilsvermögen, das die eigenen blinden Flecken mitdenkt und sich auf Werte sowie Fantasie stützt. Langfristig spalten „wicked problems“ die Gesellschaft. Die eine richtige Lösung wird dabei zur Illusion. Möglich sind nur „clumsy solutions“, bei denen man die Sichtweisen aller Beteiligten miteinbezieht, selbst nicht zu stur ist und die Antwort auf das Problem ständig weiterentwickelt. Die geistige Beweglichkeit, die dafür nötig ist, trainieren neuseeländische Lehrer:innen ganz gezielt mit ihren Schülern:innen.
Komplexes Denken lernen und begeistern
Neuseeland setzt auf die Integration aller verschiedenen Fächer, Kreativität, Teamarbeit und ganzheitliches Wohlbefinden. Die Schule begeistert alle Kinder fürs Lernen, indem sie mit ihnen auch dahin geht, wo ihr Leben stattfindet – z.B. nach draußen. Das größte Lob an neuseeländischen Schulen lautet: „Guter Gedanke!“. In Mathematik gibt es das „Problem solving“, z.B. Jenny besitzt Enten und Schweine. Ihre Enten und Schweine haben zusammen 28 Füße. Wie viele Schweine und Enten besitzt sie jeweils? Die Kinder haben in 5er-Gruppen 20 Minuten Zeit. Danach geht es nicht um die eine richtige Lösung, sondern darum ihre Methoden zu erklären und sich auszutauschen. Ein Beispiel aus dem Schreibunterricht: Zweitklässler:innen entdecken eines Morgens eine kleine lilafarbene Tür an der Wand ihres Klassenzimmers, im Miniaturbriefkasten daneben steckt ein Zettelchen für sie. Unterschrieben von Lyla Mintleaf, die nun hinter diese Tür eingezogen ist und von nun an ihre Klassenfee ist. Seitdem herrscht rege Korrespondenz zwischen Fee und Kindern.
Respektvolles Integrieren
Vermittlerin Lucie Cheeseman geht zu einem Kind, das etwas abseits seiner Gruppe sitzt und zum Fenster hinausschaut: „Du bist nachher die Stimme der Gruppe, Du wirst Euer Denken den anderen vorführen. Bist Du einverstanden?“ Überrascht schaut der Junge hoch, dann nickt er. Zu den anderen Kindern der Gruppe sagt sie: „Ihr müsst drauf achten, dass Ihr Eure Stimme mit allem versorgt, was sie braucht.“
Blackboxes oder wissen, was in den jungen Menschen vorgeht
Eine Lehrkraft wird dann zur „guten Lehrer:in“, wenn sie weiß, wie es ihren Schüler:innen geht. An neuseeländischen Schulen werden deswegen ständig FeedbackSchleifen eingebaut. John Hattie hat sie als wirkungsvollste Maßnahme erkannt, wenn es darum geht, Unterricht zu verbessern. Zum Beispiel werden Schüler:innen aufgefordert, über folgendes Thema zu schreiben: Was jede Lehrkraft über mich wissen sollte.
Den jungen Menschen Erlebnisse geben
„Es gibt nichts Wichtigeres, als sich selbst aushalten zu lernen“, sagt ein Lehrer, der mit seinen 15- bis 16-jährigen Zwölftklässler:innen folgende Übung unternimmt: 48 Stunden allein im Wald sein. Die Ausrüstung dafür: Verpflegung, Wechselwäsche, eine orangerote Plane 10 x 10 Meter und eine Trillerpfeife für den Notfall. Wichtig ist auch, was nicht mitgenommen werden darf: Kein Telefon, keine Uhr, kein Buch, keine Musik. Nur ein Heft ihres Lehrers mit Geschichten von Menschen, die über sich selbst hinausgewachsen sind. Sowie viele leere Seiten, über denen Fragen stehen: „Wem möchtest Du danken?“ „Was hat Dich geprägt?“ „Wo möchtest Du in sechs Monaten sein?“
Die Liebe zu Büchern beibringen
Kreativität entsteht durch die maximale Öffnung der Gedankenwelt und ist das Gegenteil von Perfektion und die Verengung auf die eine richtige Lösung. Der Umgang mit Literatur erfüllt hier keinen Selbstzweck, sondern dient einem höheren Ziel - der Persönlichkeitsentwicklung: Je mehr Bücher ich gelesen habe, desto mehr Arten zu leben kenne ich. Desto besser verstehe ich die Menschen im echten Leben. So lerne ich mich in eine Person hineinzuversetzen und stelle dabei fest, wie stark meine eigenen Bewertungen von der eigenen Lebenserfahrung geprägt sind. Dadurch lernen wir alle Empathie. Nicht zuletzt helfen Diskussionen über Texte dabei, zu lernen, wie man Ambivalenz und unterschiedliche Sichtweisen aushält. Eine Fähigkeit, die im 21. Jahrhundert, in dem Spannungen in der Gesellschaft allerorts zunehmen, notwendiger ist denn je.
Inklusion ist kein Sonderfall, sondern gelebter Alltag
Neuseeländische Schulen sind immer Gesamtschulen, in denen alle Schüler gemeinsam und unabhängig vom Leistungsniveau unterrichtet werden. Inklusion wird als ein wichtiger Aspekt der Bildung angesehen. Das Land hat sich verpflichtet, Schüler:innen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten eine qualitativ hochwertige Bildung zu bieten. Inklusion bedeutet, dass Schüler:innen mit Behinderungen oder besonderen Bedürfnissen in regulären Schulen unterrichtet werden, wenn dies möglich ist. Es gibt spezialisierte Ressourcenzentren und Lehrer:innen, die darauf spezialisiert sind, Schüler:innen mit besonderen Bedürfnissen zu unterstützen und individuelle Bildungspläne zu entwickeln. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass alle Schüler:innen die gleichen Bildungschancen haben.
Benachteiligte Kinder – sprachlich, sozial, wirtschaftlich, traumatisiert
Das neuseeländische Schulsystem sieht die Kinder nicht als defizitäre Wesen, sondern hat sich für einen anderen Weg entschieden: Empowerment – also Respekt, Vertrauen und Interesse am anderen, sowie hilfreiche Unterstützung. Beispiele: zusammen gärtnern, kochen, feiern... Zudem gibt es eine Krankenschwester an jeder Schule und das „Buddy-Prinzip“: Um jeden Neuzugang kümmern sich zwei Kinder, auch in den Pausen. Es gibt eine Morgenbegrüßung in allen Sprachen, die Teil der Klasse sind. Migranteneltern werden aktiv integriert und persönlich interviewt. Dabei werden Anknüpfungspunkte gefunden und alle Eltern niederschwellig am Schulleben beteiligt. Unter Einbezug der Familien werden z.B. türkische oder samoanische Wochen veranstaltet.
Schulorganisation
Ein Kind wird mit seinem 5. Geburtstag eingeschult – Einschulung das ganze Jahr über. In Neuseeland gibt es keine Aufteilung in Realschule, Gymnasium etc., sondern alle Schüler besuchen zusammen die „Primary School“ (Grundschule) und anschließend die „Intermediate School“ (Mittelschule) bzw. die „High School“ (Gesamtschule 9-13). Die Schule beginnt in Neuseeland um 9:00 Uhr und endet jeden Tag um 15:00 Uhr – die „High School“ endet um ca. 15:15 Uhr. Eine Klasse kann 50 Schüler:innen umfassen, die von 4 Lehrkräften unterrichtet werden. Hausaufgaben bekommen die Kinder in der Regel nicht auf, nach der Schule haben sie Freizeit und können ihren Hobbys nachgehen, spielen oder lernen.
Bewertung
Das Schulsystem in Neuseeland macht keinen Unterschied bei der Bewertung von akademischen und nicht akademischen Fächern. Der Vorteil ist, dass eher praktisch begabte Schüler:innen nicht hinter den „Denker:innen“ zurückstehen. Wissensdurst, Neugier und das Erkennen der eigenen Talente stehen im Vordergrund – nicht Leistungsdruck, Wettbewerb und Prüfungsangst. Das stärkt das Selbstvertrauen und die Eigenständigkeit der Schüler:innen. Die Lehrkräfte beobachten, unterstützen und besprechen die Fortschritte mit Eltern und Schüler:innen. Selbst die Leistungsbewertung ab 15 bis 16, also ab dem letzten Pflichtschuljahr, erfolgt ohne Noten. Dafür gibt es ein Punktesystem, das sogenannten NCEA (National Certificate of Educational Achievement). Es gibt nicht an, wie gut Schüler:innen im Vergleich zu anderen sind. Vielmehr zeigt es, ob Schüler:innen bestimmte Lernziele erreicht haben. Für jede bestandene Aufgabe oder Prüfung erhalten sie Punkte. Für den erfolgreichen Schulabschluss brauchen sie eine ausreichende Punkteanzahl.
Finanzierung
Neuseeland investiert vergleichsweise viel Geld in sein Bildungswesen. Mit 6,5 % des Bruttosozialprodukts liegt es hier weltweit auf dem dritten Platz!
Zur Vergleichbarkeit
Integration und Chancengleichheit sind in Neuseeland wichtige Themen. Es ist ein Einwanderungsland mit etwa 60.000 Immigranten im Jahr 2024. Neuseeland (269.652 km²) ist flächenmäßig ca. sieben mal größer als Baden-Württemberg (35.751,46 km²), hat aber nur 4,8 Millionen Einwohner:innen und 2531 allgemeinbildende Schulen.Baden-Württemberg hat rund 11 Mio Einwohner:innen mit 3527 allgemeinbildenden Schulen. Somit hat Baden-Württemberg 2,3 mal so viele Einwohner wie Neuseeland, aber nur 1,4 mal so viele Schulen.